Erstmals wurden am Mittwoch, 17. August 2022, auch in Gummersbach „Stolpersteine“ verlegt. Dabei handelt es sich um im Boden verlegte kleine Gedenktafeln, die an das Schicksal der Gummersbacher Familie Simons erinnern sollen. Die Gynäkologin Dr. Sophie Simons, ihr Mann Alfred, seines Zeichens Kinderarzt, die Schwiegereltern Hulda und David Simons sowie der Sohn Klaus lebten bis zur ihrer Flucht nach Australien bzw. bis zur Deportation ins KZ Theresienstadt in Gummersbach, zuletzt in der Seßmarstraße 5, wo nun im Beisein von Bürgermeister Frank Helmenstein die „Stolpersteine“ verlegt wurden. Die Initiative zur Stolpersteinverlegung kam von Schülerinnen und Schülern des Städtischen Lindengymnasium, die sich ein Jahr lang intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatten.
Im Vorfeld an die Veranstaltung äußerte sich Bürgermeister Frank Helmenstein wie folgt: „Wir verneigen uns vor der Gummersbacher Familie Simons und vor allen Opfern des verbrecherischen NS-Regimes. Wir bitten sie um Vergebung für das ihnen widerfahrene, unermessliche Leid. Die Botschaft, die von unseren Stolpersteinen ausgeht, ist klar: Gegen das Vergessen - in Gummersbach, in Deutschland und auf der ganzen Welt.“
In einer bewegenden Feierstunde im Beisein von Bürgermeister Frank Helmenstein wurden nun die Gedenktafeln im Gehweg vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Simons eingelassen. Schülerinnen und Schüler trugen Kurzbiografien der Familienmitglieder vor und begleiteten die Zeremonie mit Klarinettenmusik. Der Bürgermeister Frank Helmenstein bedankte sich in diesem Rahmen noch einmal bei allen Beteiligten und vor allem bei Frau Weißhaar und Herrn Niklas sowie den Schülerinnen und Schülern dafür, „dass sie das dunkelste Kapitel in der Geschichte unserer Heimatstadt Gummersbach in bleibende Erinnerung gerufen haben. Mögen die Stolpersteine zugleich mahnen, menschenverachtenden Antisemitismus in jeder Form couragiert entgegenzutreten.“ Schulleiter Markus Niklas sprach von einem passenden Motto für die Verlegung der Steine „Niemals vergessen, nie wieder“ um so eine zentrale Botschaft zur Bewältigung des Holocaust zu setzen. Des Weiteren sprach Frau Judith Weißhaar, als zuständige Vetreterin der Fachschaft Geschichte und Mitinitiatorin von „einem ehrlichen Anliegen der Stadt Gummersbach.“
Im Anschluss der Verlegungwurde im Lindenforum eine begleitende Ausstellung zur Familie Simons eröffnet.
Kurzbiografien
Die Kurzbiographien wurden in Eigenregie von Schülerinnen und Schülern des städt. Lindengymnasiums Gummersbach verfasst.
- Dr. Sophie Simons
Sophie Chlothilde Lucie Simons geb. Hanisch wurde am 3. Juni 1901 in Bonn geboren. Sie war die erste weibliche praktische Ärztin im Oberbergischen. Um hier als Ärztin tätig zu sein, ist sie am 06. Oktober 1930 von Bautzen nach Gummersbach gezogen. Auch als „Nichtjüdin“ bekam sie die Folgen der nationalsozialistischen Judenverfolgung zu spüren. Der Grund dafür war ihre Ehe mit dem Arzt Alfred Simons, der Jude war.
Sie verlor sie am 01. April 1933 nach dem Boykott etwa 50 Prozent ihres Patientenstammes und musste ab 1935 ihre Familie allein ernähren, weil ihr Mann als Jude gar nicht mehr arbeiten durfte. Von den Patientinnen, die trotz der Boykottaufrufe bei ihr blieben, wurden viele dafür bestraft, in dem sie von einer Spendenhilfsaktion, der Winterhilfe, ausgeschlossen wurden. Außerdem arbeitete sie mit ihrem Mann zusammen, weshalb die Ärztekammer Düsseldorf einen Prozess gegen sie einleitete. Daher wurde ihr das Recht entzogen, ihre Patientinnen und Patienten zu behandeln. Für Sophie und ihre Familie war ein sicheres Leben in Gummersbach nicht mehr möglich. Ein Jahr später organisierte sie dann die Ausreise nach Australien. Ihr Bruder übernahm in der Folge die Praxis. Sie flüchtete am 20 April 1939 mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach London. Zwei Tage später bestiegen sie das Schiff „Aagtekerk“ in Rotterdam. Dieses fuhr nach Australien. Die einzige vorliegende weitere Information zum Verbleib besagt, dass Sophie Simons ab 1950 wieder als Ärztin tätig war.
- Dr. Alfred Simons
Dr. Alfred Simons wurde am 26. Dezember 1901 in Köln-Ehrenfeld geboren. Von 1927-1928 machte er seine praktische Ausbildung zum Arzt an der Kinderklinik Lübeck bei Professor Max Klotz, anschließend an der Kinderklinik der städtischen Krankenanstalten in Dortmund bei Professor Stefan Engel und im Stadtkrankenhaus in Görlitz bei Chefarzt Dr. Schulz. Am 23. Dezember 1929 heiratete er Dr. Sophie Simons (geb. Hanisch), mit der er ein Jahr später Sohn Klaus Simons bekam. Kurz darauf zog er nach Erwerb seines Facharzttitels nach Gummersbach. Ende März eröffnete er seine eigene Kinderarztpraxis in der Kaiserstraße 21. (An dieser Stelle steht heute der DM-Drogeriemarkt) Sie wohnten zunächst im gleichen Haus der Praxis, zogen dann in die Kaiserstraße 7, gefolgt von der Moltkestraße 1 und letztendlich in die Bismarckstraße 1. Nach den Boykottaktionen am 1. April 1933 zog die Familie in die Seßmarstraße 5. Ab dem 22. April 1933 durfte Dr. Alfred Simons keine Kassenpatienten mehr behandeln. 1935 wurde ihm die Approbation entzogen, damit durfte er seinen Beruf nun gar nicht mehr ausüben. Letztendlich verlor Dr. Simons 1938 seinen Arzttitel. Am 10. November 1938 wurde er für einen Tag in Schutzhaft genommen. Ende Januar 1939 floh Dr. Simons aus Angst, da ihm gedroht wurde, in die Schweiz, anschließend nach London. Am 22. April reiste er mit seiner Familie von Rotterdam aus ins Exil nach Australien. Dort arbeitete er zunächst als Fensterputzer und Landarbeiter. 1942 meldete er sich zu australischen Armeedienst im Krieg gegen Japan, wurde jedoch ausgemustert, da er früher Rachitis und Tuberkulose hatte. Ein paar Jahre später, nach einem dreijährigen Studium, durfte er wieder als Arzt arbeiten. Neuere Informationen über Dr. Alfred Simons sind nicht bekannt.
- Hulda Simons
Hulda Simons war eine jüdische Frau, die zu der Zeit des Nationalsozialismus in Gummersbach lebte. Sie war die Ehefrau von David Simons. Zusammen hatten sie zwei Söhne namens Dr. Alfred Simons und Walter Simons. Hulda lebte nach dem Tod ihres Mannes mit ihrem Sohn Alfred und seiner Familie in Gummersbach in der Seßmarstraße 5. Als Alfred, Sophie und Klaus auswandern wollten, ging sie aus Altersgründen nicht mit. Sie blieb stattdessen gemeinsam mit Sophies Mutter Adele Hanisch in Gummersbach. Alfred und Sophie glaubten sie in Sicherheit. Hulda wurde jedoch am 11. September 1944 verhaftet und in das Köln-Müngersdorfer Sammellager gebracht. Für einige Gummersbacher war es unverständlich, dass alte jüdische Frauen kurz vor Kriegsende verschleppt wurden. Der Polizeibeamte, der Hulda abholen sollte, habe darum gebeten, sie zur Polizeistation zu bringen. In dem Sammellager wurde sie als nicht arbeitsfähig ausgemustert und schließlich zum Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort wurde sie unter ungeklärten Umständen ermordet.
- David Simons
David Simons wurde am 10. April 1866 als Sohn von Isaak und Bertha Simons in Köln-Ehrenfeld geboren. Er arbeitete als Viehhändler und Großschlachter in seiner eigenen Schlachterei, die sich ebenfalls in Köln-Ehrenfeld befand. Am 17. Dezember 1894 heiratete er in Siegburg Hulda Simons (geb. Neumann), mit der er die Söhne Alfred und Walter bekam. Um das Jahr 1933 musste er, vermutlich aufgrund seiner jüdischen Abstammung, sein Geschäft aufgeben. Daraufhin zog er nach Gummersbach, zu seinem Sohn Dr. Alfred Simons. Am 20. Dezember 1937 starb er in Gummersbach und wurde auf dem jüdischen Friedhof Köln-Bocklemünd beerdigt.
- Klaus Simons
Klaus Simons wird als Sohn des Ärzteehepaares Sophie und Alfred Simons am 26. November 1930 in Bonn geboren.
Schon im jungen Alter erlebt Klaus die Judenverfolgung mit. Er wird in der Schule gehänselt und bekommt schließlich auch Schwimmverbot in der städtischen Badeanstalt Gummersbach. Im Alter von 8 Jahren flieht er nach London. Nachdem er am 22. April 1939 in Rotterdam angekommen ist, geht er mit seinen Eltern auf ein Schiff nach Australien.
Daraufhin wandern sie nach Adelaide in Australien aus. Dort wird Klaus Simons, wie seine Eltern auch, Arzt. Er bekommt zudem mit seiner Ehefrau Gillian Simons 3 Söhne, unter anderem David Simons der 1964 geboren wird.
Im Jahr 1995 hat Gummersbach Kontakt zu Klaus Simons aufgenommen und eine Einladung nach Gummersbach ausgesprochen. Im selben Jahr noch, reist er mit 64 Jahren nach Gummersbach zur Einweihung des Simonsplatzes. Dr. Klaus Simon starb am 31. Januar 1999 im australischen Adelaide im Alter von 68 Jahren.