Stadtrat und Stadtverwaltung stimmten mit den vom Land vorgegebenen Perspektiven überein und versuchten durch eine Vielzahl von Maßnahmen, die Stellung Gummersbachs als Mittelzentrum für die umliegende Region zu stärken und auszubauen. Dieses Bestreben ist vor allem in vielen neuen Bauten sichtbar, mit denen die Stadt den gestellten Anforderungen gerecht werden wollte.
Diese betrafen die Bereiche Bildung und Kultur (z. B. Neubau beider Gymnasien, Realschule, Theater, Bruno-Goller-Haus), Stadtsanierung (z. B. in der Innenstadt EKZ Bergischer Hof, Alte Post, Bismarckplatz und Fußgängerzonen) wie auch öffentliche Verwaltung und Wirtschaftsförderung (Rathausneubau, Standortsicherung Steinmüller, Gründer- und Technologie-Zentrum, neue Gewerbegebiete Windhagen u.a.). Zusammen mit der gleichfalls starken privaten Bautätigkeit (Entwicklungsmaßnahmen Bernberg, Berstig u.v.a.m.) veränderte sich die Stadt im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in einem bis dahin beispiellosen Umfang. Allerdings wurde für die Umgestaltung teilweise wertvolle historische Bausubstanz geopfert, was vor allem in den 1970er Jahren zu starken Bürgerprotesten führte.
Am Ende des Jahrhunderts hat die Stadt sich in die Richtung eines Einkaufs- und Dienstleistungszentrums für die oberbergische Region weiterentwickelt, ohne dabei die traditionell mittelständisch geprägte Wirtschaftsstruktur zu verlieren. Allerdings konnten trotz der Maßnahmen zur Standortsicherung nicht alle Firmen am Ort gehalten und erhebliche Arbeitsplatzverluste im gewerblichen Bereich nicht verhindert werden. Insbesondere durch die Übernahme der Firma Steinmüller durch Babcock-Borsig im Jahre 1999 und die folgende Einstellung der industriellen Fertigung gingen viele Arbeitsplätze verloren und große Flächen in der direkten Nähe des Zentrums fielen brach. Die Entwicklung der Stadt in den nächsten Jahrzehnten wird entscheidend davon abhängen, ob und inwieweit die Neuerschließung und Umnutzung dieses Areals - verbunden mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze - gelingen wird.
Q: Bürgersinn und politische Kultur
Einer der führenden deutschen Intellektuellen, der Sozialphilosoph Jürgen Habermas; ist in Gummersbach aufgewachsen und hat am Gymnasium Moltkestraße im Jahre 1949 das Abitur abgelegt. Anläßlich des 125jährigen Stadtjubiläums am 18. Mai 1982 hielt er die Festrede, aus der im folgenden Auszüge abgedruckt werden:
... Ich weiß nicht, wie Sie, die Sie hier wohnen, diese Dinge empfinden. Wenn ich heute die Universitätsstadt Gummersbach besuche, nicht nur die neuen Gymnasien sehe und das neue Theater, nicht nur die neue Stadtbücherei und die neue Sporthalle, sondern neue Siedlungen, neue Bankgebäude, neue Einkaufszentren und Straßendurchbrüche, dann drängt sich mir der Eindruck auf, daß seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein neues, ein drittes Gummersbach entstanden ist – nach dem alten, noch dörflich geprägten Gummersbach und nach jenem, auch schon schnell gewachsenen Gummersbach der Jahrhundertwende. Ich bin noch in diesem Gummersbach aufgewachsen, das in der Gründerzeit und in den darauffolgenden Jahrzehnten Gestalt gewonnen hat.
Altgummersbach mit der Evangelischen Kirche, mit Schöppenstuhl und Marktplatz lag in meiner Jugend schon ein wenig abseits. Gewiß, Lademachers Häuschen im Winkel zwischen Wiesen- und Schützenstraße hat sogar den zweiten Krieg überlebt; der Weg zum Metzger Gries führte am Gasthof Winter, am Café Garnefeld und bei Wetzlars vorbei; und auf dem Weg zur Klavierstunde in die Winterbecke sah ich allwöchentlich das Hotel Koester und das alte Amtsgericht. Aber dieses Altgummersbach habe ich sozusagen nur von außen gesehen – einmal abgesehen von den Kirchenbesuchen und von den Besuchen bei Dr. Linden in der Burg und bei Dr. Frischauf im Haus König. Stärker war die Jugend geprägt durch die elektrische Bahn, die 1915 in Betrieb genommen worden war, durch das Hallenbad, das Rathaus, die Schützenburg, das Gemeindehaus, den Spielwarenladen Schramm oder Wilhelm Steinmüllers Haus, wo Freunde meiner Eltern wohnten; alle diese Gebäude stammen aus den Jahren zwischen 1900 und 1914. Heute fällt mir auf, wieviel von dieser Welt des mittleren Gummersbach nicht mehr erhalten ist: der rote Backsteinbau des früheren Lyzeums auf dem Bismarckplatz (1867), die Katholische Kirche (1889), der Bahnhof (1893), die Villa Bockhacker (1902), das Krankenhaus (1907), das Evangelische Waisenhaus (1913/14) und so fort. Wenn man diesen steinernen Zeugen trauen darf, hat sich die Geschichte tatsächlich beschleunigt. In den 70 Jahren von den Anfängen der Gründerzeit bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hat sich mehr geändert als in den 700 Jahren davor; aber in den 35 Jahren, die uns wiederum von der Währungsreform trennen, hat sich das Tempo der Veränderungen noch einmal gesteigert.
Damit wir aber die Proportionen nicht aus den Augen verlieren, nicht einfach dem nostalgischen Zeitgeist einen kostenlosen Tribut entrichten, sollten wir uns auch die ungewöhnliche Kontinuität in Erinnerung rufen, beispielsweise das soziale Gefüge, das sich in Kleinstädten vergleichsweise gemächlich verändert, oder die konservative Mentalität, die die hier eingesessene Bevölkerung von alters her geprägt zu haben scheint. Unser Jubiläum gibt vor allem Anlaß, an das politische Erbe einer alten stadtbürgerlichen Tradition zu erinnern, der heute, wie ich glaube, eine neue Bedeutung zuwächst. ...
Wir haben uns des Regiments, das in Gummersbach wie im übrigen Reich 12 Jahre lang nach dem N. S.-Führerprinzip geführt worden ist, nicht aus eigener Kraft entledigt. Dieser weniger glückliche Umstand sollte uns, sollte vor allem auch die Jüngeren daran erinnern, daß zivile Freiheiten kein risikoloser Besitz sind. In dieser Hinsicht ist das gewachsene und immer noch überschaubare Sozialgefüge einer zu mittlerer Größe gediehenen Kleinstadt, von deren Charme Gummersbach bis heute zehrt, nicht ausschließlich ein Vorteil. Man kennt sich untereinander nur zu gut – aber die, die nicht ganz dazu gehören, auch wiederum nicht gut genug. Vielleicht bedürfen die geschützteren und die gewachseneren Umgebungen, deren Substanz uns heute mehr denn je am Herzen liegt, in besonderem Maße der politischen Gesinnung von Stadtbürgern – das Bewußtsein, daß alle dazugehören. Ich wünsche den Bürgern von Gummersbach, daß sie in diesem Bewußtsein auch die nächsten 125 Jahre ihrer Stadtgeschichte bestehen!
Aus: Habermas, Jürgen: Rede zum 125jährigen Stadtjubiläum der Stadt Gummersbch am 18. Mai 1982, Stadtarchiv Gummersbach Best.: ZA Stadtjubiläum 1982
1975 | 2. Kommunale Neugliederung: Weitere Teile der ehemaligen Gemeinde Gimborn kommen zu Gummersbach (nun ca. 50.000 Einwohner); Gummersbach bleibt Kreisstadt. |
1983 | Einweihung des Neuen Rathauses |
1985 | Einweihung des neuen Krankenhauses auf der Berstig |
1987 | Einrichtung der Städtischen Gesamtschule Gummersbach-Derschlag |
1989 | Eröffnung des neuen Kulturzentrums Bruno-Goller-Haus |
1989 | Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen zu Afandou (Rhodos) in Griechenland |
1990 | Staatliche Einheit: Die DDR tritt der Bundesrepublik Deutschland bei. |
1990 | Partnerschaft mit der Stadt Burg (Sachsen-Anhalt) |
1997 | Einrichtung der zweiten Realschule: Städtische Realschule Steinberg |
1999 | Einweihung der neuen Fußgängerzone in der Innenstadt |
1999 | Erste Direktwahl des Bürgermeisters durch die wahlberechtigte Stadtbevölkerung |